Emotionale Beschwerden und Erschöpfungsdepression

Emotionales Gleichgewicht und Erschöpfungsdepression

Bei der Behandlung des emotionalen Gleichgewichtes kann es wohl kaum eine andere Therapie mit der TCM aufnehmen. Die Patienten nehmen oftmals schon während der ersten Akupunktursitzung eine Veränderung ihres emotionalen Gleichgewichtes wahr. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie sich wegen Müdigkeit, Erschöpfung, innerer Unruhe, Nervosität, innerer Spannung, Stimmungsschwankungen, depressiven Verstimmungen, Reizbarkeit, leichten Angstzuständen oder leichten Schlafstörungen in der Praxis Sheng Zhendi melden. Langandauernde Schlafstörungen, Erschöpfungsdepressionen, schwere Depressionen, Ängste oder Zwänge brauchen mehr Geduld und Zeit.

Störfaktoren

In der TCM gibt es ein schönes Bild vom energetischen Gleichgewicht, welches von verschiedenen Störfaktoren angegriffen wird. Bei stabilem energetischem Gleichgewicht fühlen wir uns gesund und schwierige Situationen können problemlos gemeistert werden. Treten die Störfaktoren lang andauernd oder gehäuft auf, schwächen sie das energetische Gleichgewicht. Krankheit sowie Überempfindlichkeit sind die Folgen und kleine Begebenheiten können das Fass zum Überlaufen bringen. Die Störfaktoren können in vier Gruppen unterteilt werden:

Kopfschmerzen bei Föhn, stärkere rheumatische Schmerzen bei feuchter und kalter Witterung sowie vermehrte Herzbeschwerden im Sommer sind nur einige Beispiele für den Einfluss des Klimas auf unseren Körper.

Unter die Lebensart fallen Ess- und Schlafgewohnheiten, Suchtmittel sowie Masslosigkeit in jeglichen Lebensbereichen.

Die äusseren Stressfaktoren sind diejenigen, welche oft für das Entgleisen des energetischen Gleichgewichts verantwortlich gemacht werden: Druck bei der Arbeit, belastende Familiensituationen, unerwartete Todesfälle und all die weiteren Stolpersteine, die das Leben bereithält. Viele Menschen haben das Gefühl, diesen äusseren Stressfaktoren schutzlos ausgeliefert zu sein. Doch ist der Stress nicht zumindest teilweise hausgemacht? Beispielsweise durch eine überladene Freizeitagenda oder fehlendem Mut für einen Schritt ins Ungewisse? Andererseits gibt es Situationen, welche nicht verändert, sondern nur gemeistert werden können - etwa eine schwere Erkrankung eines Familienmitgliedes. In diesem Fall gilt es, das energetische Gleichgewicht während der anspruchsvollen Zeit möglichst gut zu bewahren.

Die inneren Stressfaktoren werden gerne stiefmütterlich behandelt. Sie spielen jedoch eine grosse Rolle bei der Schädigung des energetischen Gleichgewichtes. Es handelt sich um den inneren Druck, den man sich im Leben – meist unnötig - selber macht. Beispiele sind der Perfektionist, bei dem kein Fünfer gerade gelassen wird; der Kontrollfreak, der alles selber machen und kontrollieren muss; eine innere Unzufriedenheit, die jemanden auffrisst; das Nicht-Akzeptieren-Können einer unveränderbaren Situation oder einfach zu viel erreichen zu wollen. Neben dem Wiederherstellen des energetischen Gleichgewichtes ist es ebenso wichtig, den Patienten die inneren Stressfaktoren aufzuzeigen, damit sie sich energiefressende Verhaltensweisen abgewöhnen können – wahrlich ein nicht ganz einfaches und länger andauerndes Unterfangen.  


Grundenergie (Konstitution)

Das energetische Gleichgewicht hängt von der bei der Geburt erhaltenen Grundenergie und von der Summe des Gelebten und Erlebten ab. Es ist umso stabiler, je besser die Konstitution bewahrt wird und je weniger Störfaktoren eine Person ausgesetzt ist. Die Konstitution kann in körperliche und emotionale Grundenergie unterteilt werden. Eine starke körperliche Konstitution bedeutet nicht zwingend, dass die emotionale Grundenergie ebenso gross sein muss und umgekehrt. Personen mit einer guten emotionalen Konstitution meistern Schicksalsschläge und psychische Belastungen relativ leicht.

Jemand mit einer körperlich starken Konstitution ist sehr leistungsfähig und braucht eine berufliche oder private Herausforderung, um seine übermässige Energie geordnet abzubauen und nicht reizbar zu werden. Zusätzlich betreibt diese Menschengruppe gerne viel Sport. Sie vergisst jedoch leicht, ihre körperlichen Grenzen zu spüren und betreibt gerne Raubbau an ihrer Grundenergie.

Personen mit einer schwächeren körperlichen Konstitution müssen früh lernen, ihre Energien richtig einzuteilen, damit ihr energetisches Gleichgewicht erhalten bleibt. Anstatt Joggingschuhe anzuziehen, geniessen sie lieber einen Spaziergang. Sie mögen erholsame Ferien und brauchen in der Regel mehr Schlaf. Die gute Nachricht für diese Personen ist, dass eine kleinere Gefährdung besteht, in eine Erschöpfungsdepression zu geraten, da sie früher gezwungen werden, auf ihren Körper zu hören und ihre Grenzen zu akzeptieren.


Wer im Gleichgewicht zu leben versteht und achtsam mit seinen eigenen Ressourcen umgeht, bleibt länger gesund.

Das tolle an der Puls- und Zungendiagnose der TCM ist, dass der Therapeut unterscheiden kann, ob die körperliche oder die emotionale Konstitution geschwächt ist und welche Störfaktoren eine Rolle spielen. So wird die Therapie auf den Patienten abgestimmt und dementsprechend gut ist der Erfolg. Um eine andauernde Verbesserung zu erreichen, muss der Patient jedoch bereit sein, mit seinen Ressourcen achtsamer umzugehen und Störfaktoren positiv zu beeinflussen.

 

Stufen der Gleichgewichtsstörung

Eine Störung des energetischen Gleichgewichtes drückt sich in verschiedenen Schweregraden aus:

  1. Bei einem leicht gestörten Gleichgewicht fühlt sich der Patient angemessen müde. Das Gleichgewicht kann durch eine Erholungsphase am Wochenende oder ruhige Ferien selber wieder hergestellt werden und hat keinen krankmachenden Einfluss.
  1. Verpasst es jemand eine leichte Gleichgewichtsstörung wieder herzustellen, entsteht mit der Zeit ein mässig gestörtes Gleichgewicht. Symptome wie Müdigkeit, Motivationslosigkeit, innere Unruhe, Nervosität, innere Spannung, Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit, depressive Verstimmungen, Angstzustände oder Schlafstörungen treten auf. Der Patient ist nicht mehr in der Lage, sein Gleichgewicht durch Erholung selber wieder herzustellen und fühlt sich kurz nach seinen Ferien wieder müde und ausgelaugt.

    Mit der TCM-Therapie kann das energetische Gleichgewicht relativ leicht stabilisiert und übermässig verbrauchte Energie wieder ersetzt und zum Fliessen gebracht werden. Nicht selten wird dabei beobachtet, dass der Patient wieder fähig wird, Entscheidungen zu fällen und den Mut und die Kraft aufbringt, seine Lebenssituation zu verändern. Eine Lebenssituation zu ändern ist nicht automatisch mit ausbrechen gleichzusetzen. Oftmals kann eine veränderte innere Einstellung zu einer Sachlage oder erneute Lebensfreude zum gewünschten Ergebnis führen.
  1. Das stark gestörte energetische Gleichgewicht ist einer Erschöpfungsdepression - umgangssprachlich auch Burn-out genannt - gleichzusetzen. Der Erschöpfungsdepression geht eine Phase mit Überaktivität voraus, die so weit geht, dass der Patient „seinen Motor nicht mehr abschalten“ kann – er wird innerlich so angespannt und unruhig, dass er sich nicht mehr erholen kann. Kaum legt er sich hin, steht er schon wieder auf, da ihn die innere Unruhe nicht zur Ruhe kommen lässt – Schlafstörungen sind eine weitere Folge. Durch die Überaktivität, innere Unruhe und Schlaflosigkeit wird das energetische Gleichgewicht immer weiter durcheinander gebracht. Kurzum: ein solcher Mensch vollzieht einen enormen Raubbau an seinen Grundenergien. Kurz bevor die Batterien sich ganz entleeren, kann der Patient kaum noch geordnet denken und ist nicht mehr richtig handlungs- und entscheidungsfähig. Sind die Energien völlig erschöpft, folgt der Zusammenbruch mit extremer Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Depression und Leere.

    Der grosse Unterschied von Stufe zwei zu einer Erschöpfungsdepression ist die nahezu völlige Erschöpfung des Energievorrates und das verlorene Selbstvertrauen in den eigenen Körper. Da praktisch keine Energiereserven mehr vorhanden sind, wird es schwieriger, die verbrauchte Energie wieder aufzubauen und zum Fliessen zu bringen. Hinzu kommt die unliebsame Erfahrung, dass der Körper seinen Dienst versagt hat. Ohne sich wehren zu können, ist man zusammengebrochen und einfachste Verrichtungen, wie ein Sandwich zubereiten, waren nicht mehr möglich. Bei jedem noch so geringen Druck greift nun das Unbewusste nicht auf die Selbstverständlichkeit zurück, die Situation meistern zu können. Stattdessen tritt die Angst vor dem erneuten Versagen in den Vordergrund. Dies sind unter anderem die Gründe, warum die Erholung von einer Erschöpfungsdepression Monate oder gar Jahre in Anspruch nehmen kann.

    Die TCM-Therapie stärkt das energetische Gleichgewicht und hilft die Energiereserven langsam wieder aufzubauen. Selbstverständlich ist auch hier sehr wichtig, dem Patienten aufzuzeigen, was er zukünftig ändern muss, damit er mit seinen Ressourcen achtsamer umgeht und seine Störfaktoren im Griff hat. Ein weiterer wichtiger Aspekt nach einer Erschöpfungsdepression ist die dem Zustand des Patienten angepasste Wiedereingliederung in die Arbeitswelt. Dabei kann die Puls- und Zungendiagnose hilfreich sein, neutral zu entscheiden, ob der Patient sein Arbeitspensum schon um 10-20% steigern kann oder ob er überfordert sein wird.